Titel
Restaurant «Erlkönig»
Erlenstrasse 21, 4058 Basel
Telefon 061 683 33 22, geöffnet Mittwoch bis Sonntag 19 bis 23 Uhr. Keine Zufahrt mit dem Auto. Zugang Kreuzung Erlenstrasse/Mattenstrasse (Tram 1/Bus 33, Haltestelle Musical Theater), Fussweg 300 Meter. Im Sommer Tische vor dem Haus. Reservieren. Keine Kreditkarten.



Hinter den Sieben Gleisen

Draussen Wildblumen zwischen rostenden Gleisen, drinnen Währschaftes wie Eintöpfe oder Schmorgerichte: Im neu eröffneten «Erlkönig» in Basel umschmeicheln Düfte aus Grossmutters Kochtopf die Sinne.

Anne Kunz

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Das Restaurant «Erlkönig» an der Erlenstrasse 21 in Basel ist nur zu Fuss zu erreichen. Es befindet sich auf dem halb verödeten Areal der Deutschen Bundesbahn in Basel. Der geheimnisvolle Weg führt an Lastern und Silos des Güterbahnhofs vorbei. Plötzlich steht man vor einem weissen Gebäude. Früher diente es als Kantine der deutschen Eisenbähnler. Heute hat sich dort der neu eröffnete «Erlkönig» etabliert. Der Ort ist ein Idyll. Auf dem Gelände spriesst ein Kunterbunt von Wildblumen und Gräsern. Brombeerstauden und Holunderbäume umranken das alte Gebäude. Neben dem Restaurant rosten die Gleise vor sich hin: Industrieromantik pur. Auf dem weiten, offenen Areal soll später einmal ein neuer Stadtteil entstehen.

Die Ex-Kantine wurde in eine Musik-Lounge mit Bar umgewandelt. Zweimal die Woche finden hier Musikveranstaltungen statt. Mit Möbeln aus der Fünfzigerjahren hat der Raum ein Facelifting erfahren. Im kleineren Saal daneben befindet sich das Restaurant. Die Tische und Stühle sind einfach. Ein riesiger Kronleuchter baumelt von der Decke. Der Speisesaal ist voll besetzt. Leger gekleidete Leute um die dreissig sitzen an den weiss gedeckten Tischen.

Den «Erlkönig» bewirtschaften Jeanny Messerli, Dominik Bissegger und Dirk Onescheit. «Alles ist frisch und selbst gemacht», erklärt Dominik Bissegger, einer der beiden Jungköche. «Unsere Küche orientiert sich am Mittelmeerraum, daneben servieren wir alte Spezialitäten wie Schmorbraten, Ragout oder Innereien.» Gekocht wird mit saisonalen und regionalen Produkten. Fast vergessenes Gemüse wie Topinambur kommt hier zu neuen Ehren. Alles Gemüse wird von einem badischen Bauer in der Nähe gebracht, dessen Vater schon vor dreissig Jahren die frühere Kantine beliefert hatte.

Holunderblütensirup und Schweineschmalz auf Brot

Eine handgeschriebene Karte orientiert über das Tagesangebot. Es wird nicht mit grosser Kelle, doch mit Liebe angerichtet. Die beiden Köche tischen hausgemachte Pasta und währschafte Gerichte auf wie anno dazumal: Presskopf mit Kartoffelsalat (15 Franken), Schweinshaxe (22 Franken) Kalbshalsbra-
ten (31 Franken) oder Kutteln an Tomatensauce (19 Franken). Als Apéro wird Holunderblütensirup (8 Franken) und als Amuse-gueule Schweineschmalz mit Brot (gratis) offeriert.

Wir beginnen mit einem Salat aus Rucola und Kresse mit gerösteten Pinienkernen (11 Franken) und mit mariniertem Sommergemüse (12 Franken). Beide Entrees sind erfrischend und munden gut. Auch bei den Hauptgängen erobern die Rinderleber und Rinderhuft mit grünen Tomaten (27 Franken) und die gratinierten Kürbisnocken mit Salbei (21 Franken) unsere Gaumen. Als einziges Dessert gibt es pochierten Pfirsich mit frischer Vanilleglace und Himbeersauce (10 Franken). Der süsse Abschluss hätte uns besser geschmeckt, wenn die Glace nicht von Eiskristallen durchzogen gewesen wäre.

Das Weinangebot ist ziemlich bescheiden. Offeriert werden italienische, spanische und portugiesische Gewächse im unteren Preissegment (4.50 bis 7 Franken der Dezi). Es gibt auch einige wenige Flaschenweine (39 bis 42 Franken). Wir wählen einen halben Liter offenen Morellino di Scansano Doc (26 Franken), der ganz akzeptabel schmeckt.

Der «Erlkönig» ist eine kulinarische Oase am Rande Kleinbasels mit Blick auf Silos und überwucherte Bahngleise. Hier ist (noch) alles ein bisschen anders. «Wir wollen aussergewöhnliche oder alte und verschwundene regionale Spezialitäten unter die Leute bringen», betont Dominik Bissegger. «Das ist unsere Mission.»


Bewertung

Genuss: Währschafte Gerichte aus Grossmutters Kochtopf. Verschwundene und regionale Spezialitäten kitzeln den Gaumen. Die Gastgeber begnügen sich nicht mit Nullachtfünfzehn-Menüs. Schwerpunkt sind Fleischgerichte, daher nicht ideal für Vegetarier. *****
Ambiente: Gastronomie mit
Industrieromantik. Legere Atmosphäre. Das Restaurant zwischen den Bahngleisen hat einen ganz besonderen Charme. Grosser Überraschungseffekt, wenn man zum ersten Mal zu Fuss über das Gelände kommt. Ein Treff für jüngere Leute. Nichts für ein steifes Publikum. *****
Kosten: 120 Franken für ein Nachtessen zu zweit mit Vorspeise, Hauptgang, Mineralwasser, einem halben Liter Wein, Kaffee und Dessert. Gutes Preis-Leistungs-Verhältnis. *****
Service: Unkomplizierter Service. Leider ist das Personal so ausgelastet, dass kaum Zeit für Beratung bleibt. ****

Die Bewertung reicht von * (Zumutung) bis ****** (Hochgenuss)

Sperre  
Dienstag 26. September 2000. © Copyright by CASH